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Die Präse

Heute ist Präsentation. Endlich. Wir haben jetzt fast ein Jahr an dem Projekt gearbeitet. Die schwerste Aufgabe, die einem Designer vermutlich begegnen kann, ist gelöst. Und zwar richtig gut. Ich bin sehr stolz auf mich. Ja, natürlich auch aufs Team. Haben Sie gut gemacht. Aber nun gilt es mich positiv zu konditionieren. Ich werde vorne stehen und präsentieren.

Wir haben ein wirklich gutes Konzept. Nicht die üblichen Ideen, die man schon tausendmal gesehen und vorgeschlagen bekommen hat: „Bretter, die die Welt bedeuten“ oder „Werkzeugkasten“ oder „Wir machen was ganz fantastisches: irgendwas so wie Herr der Ringe.“ Nein, wir haben was ganz abgefahrenes: Grundlage der Idee ist die Befürchtung, dass sich vermutlich kaum jemand eine ganze Broschüre wirklich durchliest. Von den Auftraggebern und den Machern/Verantwortlichen mal abgesehen.

Genau da setzten wir an. Die Broschüre wird zum überwiegenden Teil persönlich auf Messen überreicht, oder geht an Interessenten, die zumindest ein Einstiegsinteresse haben. Und da packen wir sie: Wir legen über das übliche Selbstbeweihräucherungsblabla eine schillernde, erzählerische Ebene, die spannend zu lesen ist, herausfordert und alle narrativen Qualitäten haben darf, die eine Eigendarstellung alleine niemals erreichen kann. Beide Ebenen werden dann über Illus verbunden, deren Motive sich aus der Geschichte ergeben. Aus den Fakten ergeben sich dann die Beschriftungen und typografische Elemente der Grafiken. Diese Illus sind das Bindeglied, die Stützen zwischen beiden Ebenen und ganz zum Schluss, auf der letzten Seite, laufen beide inhaltlich zusammen. Ja!

Mein Nachbar, einer der Geschäftsführer der Agentur ist zwar gut gelaunt, aber das Warten macht auch ihn nervös. Kein Wunder, er ist für die Zahlen unserer Agentur verantwortlich und ich für die Kreation. Was wird der Vorstand sagen? Findet er sich darin wieder? Ist die etwas luxuriöse Ausstattung (mit Banderole, Prägedruck und wertigem Cover) nicht doch zu teuer? Hauen Sie womöglich das, was ich gemacht habe ihm um die Ohren?

Die Eigendarstellung war eine echte Schwergeburt.

Bei keinem anderen Projekt reden einem so unendlich viele Leute rein, wie bei der eigenen Eigendarstellung! Das frisst einen ganz langsam auf. Alle fühlen sich berufen. Dabei sind nur wir Kreativen zu Höherem geschaffen. Das weiß doch jeder! Aber nein, alle haben etwas beizutragen. Meistens in Form von dekonstruktivistischem Rumgemecker. Manchmal und völlig unerwartet auch Details die einen weiterbringen. Aber im wesentlichen wird gemeckert und besser gewusst. Dummerweise hat Gott alle Menschen mit Geschmack ausgestattet. Nicht alle mit gutem.

Jetzt sitzen wir vor dem Besprechungsraum in der Vorstandsvilla. Überall hohe Wände, Stuck und edelstes Parkett. Gipsgewordene Pädophilenträume konglomerieren an der Decke herum. Aus dem Flur hören wir noch den überdimensionalen Fernseher, der sich dem Besucher entgegen reckt und MTV feil bietet. Wir sind jung. Wir sind hipp, wir wissen wie man MTV einschaltet. Unser Vorstandsvorsitzender ist nicht jung. Und er ist auch nicht hipp. Und er lässt vermutlich den Fernseher einschalten. Gemütlich, das ist er. Aber nicht jung. Ich auch nicht mehr.

Im Flur regt sich was.

Man kann hören, dass sich im Obergeschoss jemand gedämpft unterhält. Mein Kollege und ich, wir sitzen schon lange nicht mehr, sondern laufen angespannt hin und her und unterhalten uns über belanglose Dinge. Bist du gut hergekommen. Kein Stau auf dem Weg von der Agentur? Nein, nein. Alles klar. Bis zuletzt noch an den Pappen gefrickelt. Autobahn war dann frei. Schön mit Vollgas durch.

Die beanzugten Vorstände kommen die Prachttreppe der Villa herunter, nicken uns zu, halten noch mal kurz um sich am Fuß der Treppe etwas zuzuraunen und gehen dann mit Schwung in den Raum. Der Vorstandsvorsitzende begrüßt uns mit einem aufmunterndem Nicken und winkt uns herein. Mein Kollege wendet sich zu mir und sagt fröhlich und ein wenig erleichtert:
„ Hey, Stardesigner. Schnapp dir deine Mappe. Los geht’s!”

Verdammt! Die Mappe!

Da ist es:
Herzrasen.