Artikel aus der taz Nord vom 16.5.2006, S. 22, 123 Z.
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Haus mit strahlenden Aussichten
Morgen wird das GKSS-Forschungszentrum
in Geesthacht 50. Wird dort heute zumeist harmlose
Unterwasserforschung betrieben, stützte es sich anfangs auch auf glücklose
NS-Atomwaffenbauer
von REIMAR PAUL
Mehr als 1.000 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft
sind zum Buffet in die Hamburger Fischauktionshalle geladen. Seit
fünf Jahrzehnten leiste man "wichtige Beiträge
zur Lösung der Probleme von Gesellschaft, Wissenschaft und
Wirtschaft", rühmt Professor Wolfgang Kaysser in der
Einladung: 50-jähriges Bestehen feiert morgen das Forschungszentrum
der "Gesellschaft zur Kernenergieverwertung in Schiffbau
und Schifffahrt" (GKSS) mit Sitz im schleswig-holsteinischen
Geesthacht.
Mit 120 Millionen Euro jährlich wird das Zentrum vom Bund
und den Ländern gefördert. Rund 750 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter forschen vor allem in den Bereichen
Küstenschutz,
Ressourcenschonung, Werkstoffe und Energieeinsparung.
Das war nicht immer so: In den Anfangsjahrzehnten stand die Atomforschung
im Mittelpunkt. GKSS-Wissenschaftler, die schon
für Hitler
an der Atombombe gebastelt hatten, werkelten
als erste Westdeutsche mit Atomreaktoren herum.
Als
eine von drei Einrichtungen in der Bundesrepublik
wurde das Zentrum ab 1956 mit dem Ziel aufgebaut,
Grundlagen- und angewandte Atomforschung zu
betreiben, aber auch die atomtechnische
Entwicklung industriell voranzubringen. Zu
den Gründervätern
der GKSS zählten die Professoren Erich Bagge und Kurt Diebner.
Beide gehörten zu den deutschen Physikern, die erfolglos
versucht hatten, für Hitler die Atombombe zu bauen. Diebner
empfahl sich für eine Führungsposition bei der GKSS
ausdr ücklich unter Berufung auf seine frühere Funktion.
Protektion
erfuhr die GKSS sowohl durch Atomminister Franz
Josef Strauß (CSU)
als auch durch den Leiter der Abteilung Seeschifffahrt
im Bonner Verkehrsministerium, Karl Schubert. Der
war Regierungsrat im Reichswirtschaftsministerium
sowie - von 1923 bis 1930 - Angehöriger des berüchtigten "Freikorps
Ehrhardt" gewesen. Mit guten Verbindungen in Industrie und
Staatsspitze errichteten die GKSS-Gründer so bis Ende der
50er Jahre ein ideales Geflecht für ein Forschungszentrum
in der zivil-milit ärischen Grauzone der Atomenergienutzung.
Zuerst
beschaffte man sich einen Forschungsreaktor.
Der "Schwimmbadreaktor" mit
5.000 Kilowatt Leistung wurde in den USA bezogen;
Bagge und Diebner wollten nicht auf die Entwicklung eines eigenen
Reaktors warten.
Am 23. Oktober
1958 wurde in Geesthacht erstmals in Deutschland
wieder eine atomare Kettenreaktion in Gang
gesetzt.
Während das GKSS-Image nach außen vom Bau des
atomgetriebenen Frachtschiffes "Otto Hahn" geprägt
war, forschten die Mitarbeiter an anderen Vorhaben:
Sie bauten einen Neutronen-Chopper
und ein Kristallspektrometer auf - Geräte, die untersuchen
können, wieviel waffentaugliches Plutonium ein Brennelement
enthält. 1963 ging ein zweiter Forschungsreaktor in Betrieb,
1964 erfolgte der Einstieg in die Br üterforschung.
In den
70er Jahren knüpfte die GKSS Fäden ins Ausland.
Belegt sind unter anderem Verbindungen zur "Neue Technologien
GmbH" in Gelnhausen, die bei der Verbreitung von Tritium-Technik
nach Pakistan und Indien mitmischte, sowie
ins schweizerische Institut für Reaktorforschung in Würenlingen,
wo entscheidende Voraussetzungen für die schweizer Atomwaffenforschung
geschaffen wurden.
Ende der 80er Jahre liefen
die nuklearen Aktivitäten in Geesthacht
langsam aus. Parallel dazu wurden andere Forschungsbereiche
aufgebaut, etwa in der Unterwasser- und der Umwelttechnik. Bis
heute aber
befindet sich auf dem GKSS-Gelände eine Sammelstelle für
schwach aktiven Atommüll - und auch der erste Forschungsreaktor
soll auf dem Areal vergraben liegen.
taz Nord vom 16.5.2006, S. 22, 123 Z. (TAZ-Bericht),
REIMAR PAUL
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