Leukämie in der Elbmarsch angeblich zufallsbedingt:
Aussage des Vorsitzenden der niedersächsischen Leukämiekommission
wissenschaftlich nicht haltbar
Die erhöhte Rate kindlicher Leukämien in unmittelbarer
Nähe der Geesthachter Atomanlagen
(Atomkraftwerk Krümmel und GKSS-Forschungszentrum) ist ein
anhaltendes Problem. Sie begann
mit einem steilen Anstieg in den Jahren 1990/91
in der Gemeinde Elbmarsch auf dem niedersächsischen Elbufer.
Nach Aussage des Kinderkrebsregisters der Universität Mainz
hält die statistisch
auffällige Leukämieerhöhung bei Kindern bis heute
an.
Zur Ursachenaufklärung wurden eine Expertenkommission Leukämie
und eine AG Belastungsindikatoren beim Niedersächsischen
Sozialminister eingerichtet. Das Ministerium hat am 10.12.04
einen Abschlussbericht der beiden Vorsitzenden
dieser Kommissionen vorgelegt. Die 26 weiteren
Mitglieder der beiden Kommissionen sind an
diesem Bericht nicht beteiligt worden. Der
Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass das Leukämiephänomen
Zufall sein müsse.
Es wird behauptet, kindliche Leukämien träten grundsätzlich
in Clustern auf, die weltweit
aufzufinden wären. Damit fällt der Bericht weit hinter
den erreichten wissenschaftlichen
Erkenntnisstand zurück: Clusteranalysen in Westdeutschland
Breckow, J., W.Geuer, E.Kvasnicka:
Regionale Verteilungsmuster der Leukämiehäufigkeiten
bei Kindern in Westdeutschland 1975 – 1990,
Gesundh.-Wes. 57(1995) 69-74.1,2,3,4 haben
ergeben, dass eine Abweichung der
Leukämiehäufigkeit bei Kindern von einer statistischen
Zufallsverteilung (Poissonverteilung) nicht
gegeben ist. Real ist das Krümmelcluster nach Analyse des
Deutschen Kinderkrebsregisters in
Mainz statistisch weit herausragend.3 Die Autoren
gaben die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche
Häufung zufällig auftritt, mit 1:3000 an (dabei waren
nur die F älle bis 1994 berücksichtigt).
Wir verweisen
auf einen Brief von P. Kaatsch vom Deutschen
Kinderkrebsregister vom 6.10.2003 an das Niedersächsische
Sozialministerium, in dem der Autor es als „sehr erschreckend“ bezeichnet, „dass
immer wieder ein weiterer Erkrankungsfall auftritt.“
„Selbst wenn man die statistisch deutlich auffällige
Häufung
der Erkrankungsfälle aus dem Anfang der neunziger Jahre weglässt,
zeigen unsere aktuellen Daten erneut eine statistisch
auffällig
erhöhte Zahl der
Erkrankungen für die unmittelbare Nähe des KKW.“ Und: „Wir
sollten die Region daher auf jeden Fall weiterhin sorgfältig beobachten.“
Wir empfinden es nur als peinlich, dass in dem
Abschlussbericht sogar eine „besondere Leukämieempfindlichkeit
der betroffenen Wohnbevölkerung“ als mögliche Ursache
angegeben wird, ohne den geringsten Hinweis für diese Vermutung
zu besitzen.
Der Abschlussbericht erfüllt nicht die einfachsten Ansprüche, die an
eine wissenschaftliche Arbeit zu stellen sind – in dem Text des Berichtes
gibt es keine Quellenangaben. Damit wird eine Nachvollziehbarkeit der Schlussfolgerungen
unmöglich gemacht. Eine qualifizierte Auseinandersetzung mit den Indizien
für eine Radioaktivitätsursache, die eine inzwischen große Gruppe
von Fachleuten aufgrund von Messungen und Gutachten zusammengetragen hat, erfolgt
nicht.
Das Ministerium wird daher den Fall nicht wie gewünscht
ad acta legen können. Die Fachwelt wird aufgefordert, die
beteiligten Wissenschaftler in ihren Bemühungen um Ursachenaufklärung
und -beseitigung zu unterstützen.
Prof. Dr. Inge Schmitz-Feuerhake
Prof. Dr.Dr.hc Edmund Lengfelder
Prof. Dr. Horst Kuni Prof.
Dr. Wolfgang Köhnlein
Prof. Dr. Otmar Wassermann
Dr. Sebastian Pflugbeil
Originaltext: >http://www.gfstrahlenschutz.de/pm041215.pdf
1)
Breckow, J., W.Geuer, E.Kvasnicka: Regionale Verteilungsmuster der
Leukämiehäufigkeiten bei Kindern in
Westdeutschland 1975-1990, Gesundh.-Wes. 57(1995)69-74
2)
Kaletsch, U., P. Kaatsch, J. Michaelis: Jahresbericht
1995 des Deutschen Kinderkrebsregisters. IMSD,
Joh.
Gutenberg-Universit ät Mainz, Juli 1996
3)
Kaletsch, U., G. Haaf, P. Kaatsch, F. Krummenauer,
F. Meinert, A. Miesner, J. Michaelis: Fallkontrollstudie
zu den
Ursachen von Leukämie bei Kindern in Niedersachsen. IMSD, Joh.
Gutenberg-Universität
Mainz, Mainz Juli 1995
4)
Westermeier, T., J. Michaelis: Applicability
of the Poisson distribution to model the data of the German Children's
Cancer Registry. Radiat. Environ. Biophys. 34(1995)7-11
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