Ergänzungsantrag
zum Antrag der SPD (TOP 16)
Leukämie in der Elbmarsch:
Der Kreistag fordert die Kreisverwaltung auf,
im Rahmen der gesundheitlichen Gefahrenabwehr
eine Bewertung der Gefahrenlage in dem von der radioaktiven
Belastung betroffenen
Kreisgebiet in der Elbmarsch vorzunehmen bzw.
vornehmen zu lassen und angemessene Maßnahmen zum gesundheitlichen Schutz der
Bevölkerung im Gefahrengebiet zu ergreifen.
Begründung
Durch die in der ZDF-Dokumentation „Und keiner weiß warum“ veröffentlichten
Forschungsergebnisse von Bodenproben im Umkreis der Atomanlagen
in Geesthacht wird das bereits in 2001 aus der Analyse von Bodenproben
hervorgegangene Ergebnis bestätigt, dass der Boden in diesem
Umkreis mit radioaktiven Teilchen kontaminiert ist. Ein wesentliches
Ergebnis der Analyse der Bodenproben aus 2004, die sowohl auf
schleswig-holsteinischer als auch auf niedersächsischer Seite
gezogen wurden, besteht darin, dass die radioaktiven Teilchen
Thorium enthalten, das nach nuklearmedizinischer Erkenntnis eine
Ursache für Leukämieerkrankungen ist. Mit diesem Analyseergebnis
liegt damit erstmalig eine plausible Ursachenkette für die
Leukämiehäufungen in der Elbmarsch vor, obwohl das verursachende
Ereignis und der Verursacher für die radioaktive Kontamination
noch nicht gefunden sind.
Nach der Feststellung des Kinderkrebsregisters
Mainz besteht in dem Umkreis der Atomanlagen
von Geesthacht ein mindestens dreifach erhöhtes Leukämierisiko.
Dieses epidemiologische Risiko bedeutet für die Bevölkerung
in diesem Umkreis, dass sie seit zwei Jahrzehnten
(erstes Auftreten der erhöhten Leukämierate Anfang der
90er Jahre plus Inkubationszeit ) einer erhöhten gesundheitlichen
Gefahr ausgesetzt ist.
Zur Abwehr dieser Gefahr und damit zum gesundheitlichen
Schutz der Bevölkerung wurde bisher von den zuständigen
Behörden mit dem Hinweis auf die noch nicht gefundene Ursache
nichts unternommen. Gesundheitliche Gefahrenabwehr
ist eine Kernaufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes
auf kommunaler Ebene (vgl. DurchführungsVO des Gesetzes über
die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens
v. 3.7.1934, ab 1.1.2007 NGöGD v. 22.3.2006). Diese Kernaufgabe
besteht darin, „die gesundheitlichen
Verhältnisse der Bevölkerung einschließlich der
Auswirkung von Umwelteinflüssen auf die Gesundheit zu beobachten
und zu bewerten, den Ursachen von Gesundheitsgefährdungen
nachzugehen, ihrem Entstehen entgegenzuwirken
und auf ihre Beseitigung hinzuwirken.“ (vgl. Gefahrenabwehr
im umweltbezogenen Gesundheitsschutz, Bericht
der länderübergreifenden
Projektgruppe, 2001 ).
Damit ist klar, dass die für den gesundheitlichen Schutz
der Bevölkerung zuständigen Stellen in einer akuten
Gefahrenlage zwei wesentliche Aufgaben haben:
die Ursache der Gefahr zu finden und zu beseitigen;
die der
Gefahr ausgesetzte Bevölkerung zu schützen.
Beide Aufgaben
sind gleichrangig und zeitgleich. Der Schutz
der Bevölkerung
darf nicht so lange zurückgestellt
werden, bis Ursache und Verursacher gefunden
sind. Im Fall der Leukämie in der Elbmarsch hätte die
Gefahrenbewertung und Abwägung von Schutzmaßnahmen
bereits beim Auftreten des ersten Intervalls der gehäuften
Erkrankungen Anfang der 90er Jahre erfolgen müssen. Das ist
jedoch unterblieben. Die Aussagen eines Arztes in der o.a. ZDF-Dokumentation
belegen dies deutlich.
Nach den Ergebnissen der o.a. Analyse der Bodenproben
liegt die Ursache für die erhöhte Leukämierate
in der Elbmarsch mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Emission
radioaktiver Teilchen in die Umwelt im Umkreis der Atomanlagen
in Geesthacht. Die Gefahrenbewertung und die Abwägung von
Schutzmaßnahmen haben damit eine klare Zielrichtung. Das
ist ein hinreichender und zwingender Grund, endlich gesundheitliche
Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung in der Elbmarsch,
die sich im Wirkungskreis des Landkreises befindet,
zu beginnen.
20.5.2006 Erhard Schäfer
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